Algorithmen für alle
Algorithmen und Modelle nehmen uns immer häufiger Entscheidungen ab – doch wer kann sie eigentlich anwenden? Torsten Möller möchte Algorithmen und Modelle für jede und jeden nutzbar machen. Anfang 2018 hat er dafür die interdisziplinäre Forschungsplattform "Data Science @ Uni Vienna" mitbegründet.
Ein
Schneesturm eilt mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 115 Kilometern
pro Stunde auf New York City zu – soll die Megastadt am Hudson River
evakuiert werden? Bei Entscheidungen wie diesen vertrauen wir schon
längst auf Algorithmen, die große und komplexe Datenmengen aufbereiten
und zusammenfassen.
Wie Wissen bestmöglich aus Daten extrahiert
wird, ist das Spezialgebiet von Torsten Möller, Data Science-Experte an
der Universität Wien. "Auf der einen Seite gibt es die Personen, die
Algorithmen, Methoden und Modelle kreieren, auf der anderen Seite
Menschen mit vielen Daten, die sie anwenden wollen. Diese Lücke möchte
ich schließen – das ist für mich Data Science."
Knotenpunkt für Datenforschung
Anfang
2018 hat er dafür die Plattform "Data Science @ Uni Vienna" ins Leben
gerufen, die ForscherInnen aus unterschiedlichen Disziplinen
zusammenbringt. DatenexpertInnen arbeiten mit WissenschafterInnen aus
den Gebieten Astronomie, Digital Humanities, Finanzen, Industrie 4.0 und
Medizin an konkreten Anwendungen. "Auf den ersten Blick haben diese
Gebiete wenig miteinander zu tun, doch sie sind alle datengetrieben und
greifen auf ähnliche Methoden aus den Bereichen Informatik, Mathematik
und Statistik zurück", erklärt Torsten Möller.
Hilfe zur Selbsthilfe
Fruchtbare
Fusionen lassen sich aber nicht nur im Wissenschaftsbereich finden.
Während seiner mehrjährigen Forschungstätigkeit an der Simon Fraser
University in Kanada arbeitete Möller erstmals mit PraxispartnerInnen
zusammen: "In British Columbia ist die Fischerei einer der größten
Industriezweige. Gemeinsam mit ForscherInnen aus dem Fachbereich
Resource and Environmental Management haben wir ein Modell kreiert, mit
dem sich die Entwicklung der Lachspopulation vorhersehen lässt",
berichtet Möller. Doch nicht nur das: "Wir haben ein Tool gebaut, um die
Modellierung in die Hände der ManagerInnen zu legen. So können sie das
Controlling – auch für andere Fischarten und Standorte – selbst
vornehmen."
Data Science unter einem guten Stern
Seit
2013 ist Torsten Möller Professor an der Universität Wien, die ein
idealer Standort für die Gründung der Data Science Forschungsplattform
ist: "Die Uni Wien ist sehr vielfältig. Sie ist sowohl in der Informatik
und Mathematik als auch in den Sozial-, Geistes- und
Wirtschaftswissenschaften gut aufgestellt. Hier können wir eine
Verbindung zwischen den verschiedenen Bereichen herstellen, was an einer
rein technisch oder wirtschaftlich ausgerichteten Universität nicht
möglich wäre."
In diesem Sinne arbeiten Möller und seine
KollegInnen gerade an drei neuen interdisziplinären Masterprogrammen,
die ab 2020 an der Universität Wien angeboten werden sollen: Ein Master
für Data Science, der methodisch ausgerichtet ist, ein Programm für
Business Analytics, in dem die wirtschaftliche Komponente eine große
Rolle spielt, sowie ein Master für Digital Humanities, in dem
Sozialwissenschaften und Datendarstellung verbunden werden.
Ein Modell bleibt ein Modell
Übrigens:
Als 2015 Schneechaos in New York vorhergesagt wurde, baute der
amtierende Bürgermeister Bill de Blasio auf die Big Data-Prognosen und
ließ die Stadt evakuieren. Der Jahrhundert-Blizzard blieb jedoch aus.
Alle Modelle sind falsch, aber einige sind brauchbar, hat der britische
Statistiker George Box einmal gesagt. Torsten Möller stimmt zu: "Wir
treffen Entscheidungen basierend auf Algorithmen – und das ist auch gut
so. Aber Algorithmen sind nie hundertprozentig korrekt. Die
Herausforderung für uns WissenschafterInnen liegt darin, diese
Unsicherheit in der Modellierung zu kommunizieren." (hm)